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Der "Schweinekrieg" von Siek

Die neue Umgehungsstraße von Siek

Von Siek nach Kühsen

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Siek, meine Heimat

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Die Raute im Herzen

"Siek ist kein Bauerndorf mehr!"

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Der Ort Siek ist erstmals im Jahre 1273 urkundlich erwähnt worden, das Kirchspiel Siek im Jahre 1304. Siek gehört zu den Neurodungsdörfern, die in der Siedlungsphase des 13. Jahrhunderts und besonders um die 1250-60er Jahre entstanden sind. Die Landschaft war eine fast geschlossene Wald-, Heide- und Moorlandschaft und gehörte zu den Grenzwäldern, die den Siedlungsraum der nordelbischen Sachsen von dem der slawischen Obodriten trennten.

Der Name Siek bedeutet etwa „Bodensenkung“ oder „sumpfige Niederung“, auch „stehendes oder langsam rinnendes Wasser“. Der Name des Dorfes deutet also auf Wasserreichtum hin, und tatsächlich entspringen auf der Sieker Flurmark die Zuläufe der Wandse, die in Hamburg als Eilbek in die Alster mündet.

Die Siedlungsform war typisch für die damalige Zeit, die Hausstellen wurden um einen Dorfanger herum angelegt. Noch heute bildet die Kirche inmitten des Dorfangers, umringt von den alten Höfen, das Zentrum. Das nächste Bild zeigt den Dorfanger von Siek:



Bei seiner Gründung war Siek ein stattliches Dorf von vermutlich 16 Hufen (= ganze Bauernstellen). Rund 250 Jahre später waren nur noch 4 Hufen im Dorf vorhanden. Siek entging nur knapp dem Schicksal des völligen Untergehens, vermutlich durch die Tatsache, dass der Ort Kirchspieldorf war. Seit 1344 gehörte der Ort zum Kloster Reinbek, er bildete eine Exklave im nördlichen Teil der Klosterbesitzungen. Geistliche Grundherrschaft war am Ausgang des Mittelalters in Oststormarn von weitaus größerer Bedeutung als in anderen Landesteilen.

Wie sah das herrschaftliche Verhältnis zwischen dem in Siek wirtschaftenden Bauern, seinem geistlichen Grundherren und der Landesherrschaft aus? Die bäuerliche Bevölkerung wurde mit Diensten und Abgaben belastet. An einigen Tagen im Jahr hatten die Sieker Bauern klösterliche Felder zu bearbeiten oder mussten in der Mühle, der Ziegelei oder der Brauerei Dienste leisten. Das Reinbeker Kloster besaß im größten Teil seiner Grundherrschaft die volle Gerichtsbarkeit.

Die Grundlage zur Bemessung von Heuern und Abgaben war die bäuerliche Hufe. Die Hufe war eine Maßeinheit und war die gesamte Einheit von Hofstelle, dem dazugehörigen Ackerland und den Rechten an der Allmende. War eine Hofstelle als Viertelhufe oder Kate klassifiziert, so hatte der Hofstelleninhaber nur ein Viertel der Heuer eines Hufners aufzubringen.

Unter den Dorfbewohnern bestanden beträchtliche soziale Unterschiede. Am größten war die Kluft zwischen jenen, die Grund und Boden besaßen und denjenigen, die nicht über ein eigenes Haus oder Herdfeuer verfügten. Die amtlichen Quellen liefern reichhaltiges Material zu Konflikten zwischen großen und kleineren Bauern, dagegen tritt die Schicht der Insten und Tagelöhner ohne Landbesitz in den Akten selten agierend auf.

Die Feldgemeinschaft bildete über mehrere Jahrhunderte hinweg die Grundlage bäuerlicher Wirtschaftsweise. Die Ackerflächen des Dorfes wurden in Rotation bebaut und nach einem bestimmten Turnus brachgelegt. Es musste immer gemeinsam gesät und geerntet werden. Schon vor der eigentlichen Verkoppelung, die jedem Bauern „sein“ Stück Land zuwies, begann diese „Gemeinschaft“ auseinander zu brechen. Einige der größeren Bauern hatten ihre Anteile am Schlag in Koppeln gelegt oder zusätzliches Land aus der Allmende (Gemeindeland) unter den Pflug genommen. Natürlich kam es bei dieser gemeinschaftlichen Wirtschaftsweise immer wieder zu Konflikten. Die an der Feldgemeinschaft Beteiligten traten in der Dorfversammlung zusammen. An die dort gefassten Beschlüsse hatte sich – unter Androhung von Bußen – jeder zu halten.

Die Verkoppelung brachte um 1780 auch in Siek das Ende dieser alten Form der organisierten Landbewirtschaftung. Die Feldgemeinschaft existierte nicht mehr. Die Aufteilung der Fluren und die notwendig gewordene Einfriedigung der blockförmigen Eigenkoppeln durch Gräben und Knicks veränderte das Landschaftsbild und prägt es noch bis heute. Im Jahre 1780 kaufte einer meiner Vorfahren, Franz Peemöller, die Hufe 8 in Siek. Die Verkopplung brachte dem Besitzer den Landzuwachs der wüsten Hufe 9. Ab hier beginnt die Geschichte meiner Vorfahren, und die Bauernstelle war immer in unserem Besitz, bis ich sie verkauft habe.

Wie war das Dorfleben geregelt? Siek geriet 1773 unter dänische Herrschaft und wurde 1867 Preußen zudiktiert, der Staat war immer ein Obrigkeitsstaat. Die Menschen in Siek kümmerten sich um ihre sozialen und wirtschaftlichen Belange, für die Politik war der Staat zuständig. Aus dem Dorf als schlichtem Siedlungsgebilde war die Gemeinde, die kommunalrechtlich verfasste Gebietskörperschaft im heutigen Verständnis, geworden. Der Kreistag war nur ein administratives Selbstverwaltungsorgan, das kommunalpolitische „Grundgesetz“ seinem Wesen nach eine Ständeverfassung. Die Gemeindeversammlung setzte sich nach der Landgemeindeverordnung von 1867 aus männlichen Gemeindemitgliedern zusammen, die über einen eigenen Hausstand verfügten und im Bezirk mit einem Wohnhaus ansässig waren. Die besitzlosen Gemeindeangehörigen waren also ausgeschlossen, Frauen mit Grundbesitz mussten sich von Männern vertreten lassen. Nach der im Dezember 1864 durchgeführten Volkszählung lebten 371 Menschen in Siek. Es gab 70 Familien, die sich auf 49 Höfe und Häuser verteilten, also gab es damals 49 stimmberechtigte Mitglieder in der Gemeindeversammlung.

Ein Ereignis aus der „großen Geschichte“:
Der Krieg von 1870/71 mit dem deutschen Sieg über Frankreich und die Gründung des Deutschen Reiches hatten im weitaus größten Teil der Bevölkerung begeisterte Zustimmung gefunden. Die Erfüllung nationaler Wünsche ließ auch in der neuen preußischen Provinz alte Vorbehalte gegen Preußen in Vergessenheit geraten. Als Symbol für die neue deutsche Identität wurde eine Friedenseiche gepflanzt, sie steht südlich der Kirche auf dem Dorfanger.

Im Jahre 1888 wurde das Dreiklassenwahlrecht eingeführt, anstelle der Gemeindeversammlung gab es nun eine Gemeindevertretung. Beim Dreiklassenwahlrecht wurden zunächst alle Wahlberechtigten (wieder nur die mit Besitz an Grund und Boden) in der Reihenfolge der Höhe der von ihnen zu entrichtenden Steuern erfasst. Sodann wurde die Gesamtsumme der von allen Wahlberechtigten zu zahlenden Steuern ermittelt und durch drei geteilt. Die Wahlberechtigten, die das erste Drittel der Gesamtsumme aufbrachten, gehörten zur 1. Wählerabteilung, die das 2. Drittel aufbrachten zur 2. und die verbleibenden zur 3. Wählerabteilung. Jede Klasse hatte dann ein Drittel der Gemeindevertretung zu wählen. Das klingt recht harmlos, sah aber in der Praxis so aus, dass zur 1. Klasse 3-4%, zur 2. Klasse 10-15% und zur 3. Klasse 81-85% der Wähler gehörten. Die Staffelung des Stimmrechtes nach dem Steueraufkommen bedeutete, dass die Reicheren über die meisten Stimmen verfügten. Wer viel besaß hatte auch viel zu sagen. Und so wurden die Gemeindeversammlungen allzu schnell zur Bühne sozialdemokratischer Agitatoren, die nun gegen „das elendste aller Wahlsysteme“ kämpften. Aus der Ständegesellschaft war nun eine Klassengesellschaft geworden.

Es gab auch große Veränderungen in der Landwirtschaft. Bis um 1850 hatte der bäuerliche Betrieb hauptsächlich der Eigenversorgung gedient. Dann begannen die Entwicklung neuer landtechnischer Gerätschaften und neue wissenschaftliche Erkenntnisse die landwirtschaftliche Produktionsweise zu bestimmen, die Produktivität stieg enorm. Immer weniger Menschen waren nötig, um die Ernährung aller sicherzustellen. An die Stelle der Eigenversorgung trat die Produktion für den Markt. Jetzt wurde der landwirtschaftliche Betrieb immer mehr in die Geldwirtschaft eingebunden. Für Siek wurde die Milchwirtschaft bedeutend, die bereits stark industrialisierten Städte Hamburg, Altona und Wandsbek waren nun wichtige Absatzmärkte. Die Bauern hielten in der Zeit bis zum Ersten Weltkrieg doppelt so viele Kühe als Anfang der 90er Jahre des vorherigen Jahrhunderts. Als die Südstormarner Kreisbahn 1907 ihren Betrieb aufnahm, fuhr jeder einzelne Bauer seine Milch zum Sieker Bahnhof. Später haben Fuhrunternehmer die Milch direkt zu den Meiereien gebracht. Die größeren Höfe verfügten über etwa fünfzehn bis zwanzig Kannen, die ständig im Umlauf waren. Eine Kanne fasste zwanzig Liter. Jede Hofstelle hatte eine Nummer, die den Milchkannen aufgeprägt war. Einige Kannen habe ich jetzt noch in meinem Besitz.

Man kann über die Zeit der Reichsgründung 1871 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges denken was man will. Es ist zwar nicht alles richtig gewesen wie das Dreiklassenwahlrecht, aber zu dieser Zeit herrschte Frieden, und der Wohlstand verbesserte sich kontinuierlich. Alleine zwischen 1905 und 1910 stieg die Bevölkerung Sieks von 367 auf 454 Personen an. Es herrschte rege Bautätigkeit im Ort. In den Adressbüchern jener Zeit finden sich folgende Berufsbezeichnungen: Arbeiter, Dachdecker, Steinschläger, Maurer, Schneider, Schlachter, Bäcker, Krämer, Schuhmacher, Maler, Weber, Müller, Radmacher, Küper, Tischler, Kirchendiener, Gastwirt und Bierfahrer. Es gab eine Stellmacherei, ein Schmied und eine Postagentur, mehrere Krämer und Gastwirte. Die Landwirtschaft war nicht mehr der einzige, aber noch der wichtigste Erwerbszweig in Siek, nach dem sich die anderen Berufe orientierten. In dieser Zeit ist also das so genannte Kleinbürgertum entstanden. Somit kann man die 3 Klassen in Siek wie folgt charakterisieren: 1. Klasse Landwirtschaft, 2. Klasse Kleinbürgertum, 3. Klasse Arbeiter und Angestellte.

Dann kam der 1. Weltkrieg. Für die Landwirtschaft waren diese Zeiten immer schreckliche Zeiten gewesen. Zur Zeit des 30-jährigen Krieges wurde die Bevölkerung wiederholt von Soldaten ausgeraubt und ermordet. Während anderer Kriege mussten die Soldaten untergebracht und verpflegt werden, natürlich ohne Bezahlung, was so manchen Betrieb in den Ruin geführt hatte. In den Städten scheint es Kriegsbegeisterung gegeben zu haben, in Siek war es anders. Pastor Johann Hinrich Schmidt schreibt in seinen Erinnerungen:

„Da, am Sonnabend-Nachmittag den 1. August war es, als ich von meinem Garten aus ein großes Plakat an die Scheune des Hufners Ladiges angeschlagen werden sah. …
Rasch versammelten sich Dorfbewohner, Alt und Jung, und durchlasen das Angeschlagene. Alle wurden ganz still; kein Wort kam über unsere Lippen. Auf mir lastete ein ungeheurer, nicht zu beschreibender Druck …“.

Er beschreibt die Stimmung unter jenen, die bald nach der Mobilmachung eingezogen wurden. Eine euphorische oder gar schrille, nationalistische Tonart schlägt er dabei nicht an. In seiner Erinnerung überwiegt, wie „sehr blass“ einzelne aussahen. In der Landwirtschaft hatte die Erntezeit begonnen. Dringend suchte man nach Erntehelfern, und es erging ein Aufruf, der sich besonders an junge Leute aus der Stadt richtete.
„Es zeigte sich jedoch bald, dass diese Stadtmenschen die darin mehr einen Sport sahen, nicht zu gebrauchen waren. Ungewohnte Arbeit bringt Schwielen; und die Landleute und Frauen waren froh, als sie diese Aushelfer, die in der Regel nur 1-2 Tage aushielten, wieder los waren.“

Es kam zu einer Versorgungskrise der Bevölkerung, der Höhepunkt war sicherlich der berüchtigte Steckrübenwinter 1916/17. Die schwere Versorgungskrise brachte eine Unzahl gesetzlicher Verordnungen zum Verbot der Verfütterung von Korn und anderen Futtermitteln mit sich, Höchstpreise wurden bestimmt, schließlich Lebensmittel rationiert. Verstöße gegen diese Anordnungen waren gang und gäbe, ebenso der Diebstahl von Nahrungsmitteln. Nicht wenige profitierten von diesen Krisenzeiten und vermehrten ihren Wohlstand, was zu wachsender Verbitterung im Volke führte, der innere Frieden im Land war in Gefahr.
„Die irgendwie tüchtigeren und fleißigen Landleute sind durch den Krieg und in den folgenden Jahren sehr wohlhabend geworden. Sie können sich Luxus erlauben, wie es die weniger gut gestellten vor dem Kriege nicht konnten.“
„Große Unzufriedenheit herrscht. … Die Großgrundbesitzer liefern kein Vieh, weil es als … Zuchtvieh gilt, während die Bauern jede Woche ein jedes Dorf eine bestimmte Anzahl liefern muss. Das alles erzeugt tiefe Verstimmung im Volke.“

Das Ergebnis ist bekannt, die Niederlage im 1. Weltkrieg und die Novemberrevolution 1918 mit der Zerstörung der alten Herrschaftsordnung. Die Ständegesellschaft war mehrere Jahrhunderte lang gültig und veränderte sich zur Klassengesellschaft, die mehrere Jahrzehnte lang andauerte. Und nun war die alte Ordnung zerstört, Schuldige wurden gesucht, Sozialdemokraten und Juden für den Zerfall verantwortlich gemacht. Der Rechtstrend war seinerzeit ein in ganz Deutschland zu beobachtendes Phänomen. Für die Demokratie und die Gründung der Weimarer Republik konnte sich kein Landwirt begeistern, zur Zeit des Kaiserreiches hatte mein Berufsstand mehr Macht und mehr Anerkennung der Leistung, nun zählte alles nichts mehr. Schon bald nach Inkrafttreten der Verfassung wurde die Weimarer Verfassung nur noch von einer Minderheit getragen. Wo sollte das hinführen? Früher hatte der Obrigkeitsstaat alle politischen Dinge geregelt, in der Landbevölkerung herrschte die Meinung „Suup di duun un´freet di dick un hol´dien Muul vun Politik“. (Trinke soviel bis du betrunken bist, und esse soviel bis du nicht mehr kannst, aber rede nicht über Politik)
Und nun wollten die früheren unteren Klassen das Sagen haben, das Gesinde wollte dem Herrn sagen wo der Weg langging, der Schwanz wedelte mit dem Hund. So etwas konnte und wollte kein Landwirt akzeptieren.

Die Kriegsfolgen waren Hunger, Armut, Arbeitslosigkeit und Inflation. Der Versailler Friedensvertrag mit seinen äußerst harten Bedingungen für Deutschland löste eine allgemeine Verbitterung aus. Die Annahme dieses Vertrages durch die demokratischen Parteien der noch jungen Republik mit der Annahme der deutschen Kriegsschuld war der Todesstoß der Demokratie. Mittels der Tatsachen verdrehenden „Dolchstoß-Theorie“ und der demagogischen Parole „Im Felde unbesiegt“ sowie antisemitischer Tiraden wurden Kriegsniederlage und Kriegsfolge nicht dem zusammengebrochenen Obrigkeitsstaat, sondern der jungen Republik, ihren Trägern und auch dem Judentum angelastet. Das völkisch-nationale Gedankengut war der ideale Nährboden für die spätere NSDAP.

Viele Menschen, auch Pastor Schmidt, konnten sich in der neuen Welt nicht zurechtfinden:
„Die Jugendlichen leben freilich leichtsinnig und vertun ihr Geld im Tanz …Es ist jetzt sehr schwer, Pastor zu sein. Besonders Junglehrer sind durch den Revolutionsgeist umnebelt. Sie haben mir viel zu schaffen gemacht. … Leider hat die vom Staat freigewordene Landeskirche den Machtschwindel mitgemacht. 21jährige können wählen. Die jungen Volksschulmeister … wollten sich zu Kirchenältesten machen. Arme Kirche Luthers!“
„Was ist das bloß für eine Welt, in der ein früherer Schlossergeselle Oberpräsident der Kreissparkasse werden kann und an der Spitze der Oberschulbehörde in Hamburg ein sozialdemokratischer Lehrer steht?“
Denkhaltungen und Propagandabilder, die hier geäußert werden, haben die Entstehung und Verbreitung des Nationalsozialismus den Weg bereitet. In Siek soll es damals viele Kommunisten gegeben haben, für die Bauern bestand die Befürchtung, wenn die Kommunisten an die Macht kämen, dann würde der Grund und Boden enteignet und verstaatlicht werden. Auch wenn man mir vorwirft, ein Vergleich mit russischer und sowjetischer Geschichte dürfe nicht stattfinden, so tue ich es trotzdem. Die russische Revolution hatte dazu geführt, dass die Bolschewisten (Kommunisten) an die Macht kamen, mit verheerenden Folgen für die Landbevölkerung. Der Geist des Kommunismus war wie der Teufel, den man beliebig an die Wand werfen konnte. In der Sieker Geschichte hatte es ja die Feldgemeinschaft gegeben, was nicht funktioniert hatte, und nun propagierten die Kommunisten die Abschaffung des Grundeigentums und eine Räterepublik, die Gemeinschaft sollte das Sagen haben – so etwas konnte nicht gut gehen. Der Kampf gegen den Kommunismus besaß für die Bauern oberste Priorität.

Die Bauern waren somit besonders anfällig für die nationalsozialistische Ideologie. Besondere Bedeutung kommt der hohen Grundverschuldung der landwirtschaftlichen Betriebe zu. Die landwirtschaftlichen Kreditinstitute ermöglichten die Aufnahme hoher Anleihen, die von den Landwirten in starkem Maße beansprucht wurden. Pastor Schmidt schrieb 1926 kurz vor seinem Tode über die Anhäufung von „Schuldenlasten über Schuldenlasten“:
„Wenn erst die Grundbücher, die in der für den Landmannstand nicht heilvollen Zeit reingeworden sind, sich immer mehr mit Hypotheken gefüllt haben, dann kann nach 3-10 Jahren für manche Landleute eine Katastrophe kommen“.
Er sah die Probleme, die auf die verschuldeten Landwirte zukamen. Die Einkünfte durch sinkende Erzeugerpreise gingen zurück, während gleichzeitig die Kosten ständig anwuchsen, die Schuldenlast wirkte sich verhängnisvoll aus. Die grundlegend ablehnende Haltung der meisten Bauern gegenüber der Weimarer Republik wurde durch die nationalsozialistische Agitation früh aufgegriffen und weiter verstärkt. Als der Massenzulauf in die NSDAP 1929/30 einsetzte, existierte auf dem flachen Land bereits ein dichtes Netz von Stützpunkten. Einer davon war Siek.

Die Gründung der Sieker NSDAP-Gruppe fand sehr früh, vielleicht noch im Jahre 1928, statt. 1929 umfasste die Ortsgruppe bereits 21 Mitglieder, selbst Ahrensburg, die Keimzelle der NSDAP in Stormarn, hatte nur 24 Mitglieder. Die Kreistagswahlen 1929 in Stormarn brachten der NSDAP Stimmenanteile von über 30% in den ländlichen Gemeinden (in Siek 31,6%), zu einer Zeit als die NSDAP im Reichsgebiet nur eine Randgruppe war. Die Parolen der „Blut und Boden“-Ideologie fiel unter der Bauernschaft auf fruchtbaren Boden. Im Kaiserreich war man an eine gute Einkommenssituation gewöhnt, in der Weimarer Republik hatte man mit Schulden zu kämpfen, was zu aggressivem Verhalten und einer Radikalisierung führte. Die tiefgreifende Weltwirtschaftskrise und die rigorose Sparpolitik Brünings war Wasser auf den Mühlen der Nazis. Wäre es nach vielen Stormarner Gemeinden gegangen, im März 1932 hätte der neue Reichspräsident Hitler geheißen.

1933, nach der Machtübernahme Hitlers, wurden die politische Opposition und die Juden verfolgt, terrorisiert und ausgegrenzt. Ob es damals Juden in Siek gab konnte nie geklärt werden. Die Veränderungen waren für jeden einzelnen spürbar. Der Anspruch der Partei war ein totaler. In alle Lebensbereiche wurde eingegriffen. Mit zahlreichen Massenveranstaltungen gelang es der Partei, die Menschen auf die „Volksgemeinschaft“ einzuschwören. Die Landwirtschaft gewann wieder an Bedeutung, weil die neue Führung eine Autarkie anstrebte. Ohne die staatliche Lenkungspolitik wären viele landwirtschaftliche Betriebe bestimmt pleite gegangen. Für die Sieker Bauern bedeutete dies, dass nun wieder die gewohnte Ordnung in einem Obrigkeitsstaat hergestellt war. Über meine Vorfahren konnte niemand etwas sagen, dass sie nationalsozialistische Aktivitäten unterstützt haben, im Gegensatz zu den beiden Nachbarbetrieben: Heinrich Wagner II als Führer der Ortsgruppe der NSDAP und Günther Steenbock als Führer der Hitlerjugend Ortsgruppe Siek. Auszug aus der Sieker Chronik: „Nachfolger von Wilhelm Ilse als Gemeindevorsteher wurde im August 1932 nicht sein Stellvertreter Heinrich Wagner I (mein Urgroßvater), sondern der Sieker „Mann der ersten Stunden“ der NSDAP in Stormarn, Heinrich Wagner II.“

Meine Absicht ist es nicht, die Nazizeit zu bewerten. Eine Vertreibung und Vernichtung der jüdischen Rasse hat es in Siek nicht gegeben. Es ist viel Unrecht geschehen, aber es war nicht alles schlecht. So berichtet ein französischer Oberst über seine Zeit als Kriegsgefangener in Siek:

„… dass es Worte der Güte und des Vertrauens waren, die er (Großvater Pahlen) mir anbot. …Als wir auf dem Hof ankamen, der von seinem Sohn bewirtschaftet wurde, saß die ganze Familie bei Tisch. …Ein kleiner Tisch war in der Küche beiseite gestellt und für mich gedeckt. Das war mein Platz während der ganzen Dauer des Aufenthaltes. Hier setzte ich mich hin, und man brachte mir mein Essen. Es war von den Militärbehörden verboten worden, die Gefangenen am gemeinsamen Tisch essen zu lassen. An dieses Verbot hielt man sich, aber im Essen gab es niemals einen Unterschied.“
„Wenn ich sonntags nicht zum Nachmittagskaffee blieb, fand ich am nächsten Morgen immer meinen Kuchenteller auf dem Tisch. Sonntags blieb die Tür des Lagers den ganzen Tag geöffnet und wir konnten … während einer bestimmten Zeit auch gefangene Kameraden in den Nachbardörfern besuchen.“

Er betont, dass zu seiner Zeit den Gefangenen weder von der Bevölkerung noch von den Wachtposten Feindseligkeiten entgegengebracht wurden. Schlimm war das Heimweh und die Sorge um die Angehörigen, rein äußerlich aber hatte er keine Not zu leiden.

„Wer von deutschem Leid spricht, darf deutsche Schuld nicht verschweigen“. Das Leid der Deutschen in der Nachkriegszeit hatten die Nazis mit ihrem 2. Weltkrieg zu verantworten, ohne Zweifel. Dennoch möchte ich nur auf das Leid eingehen, dass die Sieker Bevölkerung in den Jahren nach dem 2. Weltkrieg zu ertragen hatte. 1939 hatte man in Siek 511 Einwohner gezählt. Im Herbst 1946 war die Bevölkerungszahl auf rund 1.100 angestiegen, mehr als das Doppelte. Die Alteingesessenen mussten die anströmenden Massen von Flüchtlingen und Vertriebenen aufnehmen und unterbringen, nicht mehr als 3,7 qm Wohnfläche wurde dem einzelnen zugestanden. Was bedeutete das für meinen Hof? Meine Großeltern und meine Mutter waren die einzigen Eingesessenen, zu dritt mussten sie mit ansehen, wie zeitweise bis zu 30 Personen im Wohnhaus einquartiert wurden. Selbst zu Beginn der 50er Jahre waren noch immer fremde Familien anwesend. Es gab mehr Flüchtlinge im Ort als Einheimische, Konflikte blieben nicht aus. Bei den nächsten Kommunalwahlen waren die Flüchtlinge in der Überzahl, die Macht und der Einfluss der Bauernschaft war verschwunden. Und wurde man für das erlittene Leid entlohnt? Nein.

Der Niedergang der Landwirtschaft in Siek ging nun schnell vonstatten. 1951 gab es 19 milcherzeugende Betriebe in Siek, plus die Betriebe am Sieker Berg, die eigentlich zu Hoisdorf und Grossensee gehörten, waren es sogar 22. Wo die Betriebe abgeblieben sind, zeigt am besten der Bericht in der Bild am Sonntag „Wenn der letzte Bauer geht …“. Mir bleibt hier nur noch der Blick auf die weitere Entwicklung von Siek. Die Kreisbahn wurde in den 1950er Jahren eingestellt, der Verkehr verlagerte sich immer mehr auf die Straße. Die Einwohnerzahl ging in den folgenden Jahren nicht zurück, sondern erhöhte sich. Neue Baugebiete wurden erschlossen, die Bedingungen immer mehr den Wohngebieten angepasst, die Bedingungen für die Landwirtschaft verschlechterten sich immer mehr, in Siek selbst gibt es jetzt keine Kuh und kein Schwein mehr. Das erste Gewerbegebiet an der Autobahn entstand (Bültbek), wurde in den 80er Jahren um Stamers Fläche erweitert, um nun im neuen Jahrhundert erheblich erweitert zu werden, das Neubaugebiet wird größer ausfallen als das alte Dorfgebiet zusammengenommen. Momentan (Dezember 2005) entsteht in der Nähe der Autobahn, auf Meilsdorfer Gebiet, eine neue Golfanlage, neben den Sportanlagen des Sportvereins und des Tennisclubs eine neue Freizeitbeschäftigung. Die Einwohnerzahl steigt ständig, jetzt mögen es etwa 1.700 Einwohner sein, ohne Meilsdorf, dem 1974 eingemeindeten Ortsteil. Die Geschichte des neuen Ortsteils ist eine andere, weil Meilsdorf früher als Meierhof zum Gut Ahrensburg gehörte, aber die Entwicklung ist ähnlich wie in Siek. In der nächsten Zeit gibt der nächste Betrieb die Kühe auf, so dass in absehbarer Zeit nur noch ein viehhaltender Betrieb übrig bleibt. Auch in Meilsdorf entstehen neue Baugebiete, auch hier greift die Urbanisierung um sich. Das bäuerliche Dorf Siek gibt es schon lange nicht mehr. Für mich ist es nur noch eine Frage der Zeit, wann mein Heimatort als Stadtteil in eine Stadt aufgehen wird.